Die Stratocaster (oft verkürzend auch „Strat“ benannt) ist ein E-Gitarren-Modell, das seit 1954 von der US-amerikanischen Firma Fender hergestellt wird. Die Stratocaster wirkte bei ihrem Erscheinen revolutionär und gilt bis heute als beliebteste, meistverkaufte und meistkopierte E-Gitarre weltweit.[1] Die Stratocaster wird heute neben dem Herkunftsland USA auch in Mexiko, Japan, Korea und weiteren Staaten produziert.
Rückseite des Korpus mit Aussparung für den Rippenbogen (rechts)
Der Korpus sollte dem des Precision Bass nachempfunden werden.[3] Der Precision Bass hatte einen asymmetrischen Korpus, bei dem das obere „Horn“ des Cutaways stark verlängert wurde. Dies war nötig, um dem großen, schweren Instrument eine gewisse Balance und angenehme Bespielbarkeit im Stehen zu geben. Außerdem entsprachen die futuristisch geschwungenen Formen dem Zeitgeschmack der 1950er Jahre und erinnerten unter anderem an die Heckflossen großer Limousinen. Gitarrist Rex Gallion regte darüber hinaus an, dass der Korpus zusätzlich Aussparungen für den Rippenbogen (heute wegen der meist tieferen Spielhaltung oft scherzhaft „Bierbauchfräsung“ genannt) und den rechten Unterarm haben sollte. Bei der eher eckigen Telecaster störten die Korpuskanten bei längerem Spielen; einige Gitarristen hatten bereits selbst mit Fräse und Schmirgelpapier die gröbsten Kanten ihrer Gitarren verrundet. Darüber hinaus vergrößerte Leo Fender die Kopfplatte und glich sie noch stärker dem Design des Konkurrenten Paul Bigsby an.
Das Klangspektrum der Gitarre sollte durch den Einbau eines Vibratos und Hinzufügen weiterer Tonabnehmer erweitert werden. Gitarrist Bill Carson schlug für die neue Gitarre eine Anzahl von vier bis fünf Tonabnehmern vor; Fender hielt dies für überflüssigen Ballast und bestand wie bei den vorherigen Instrumenten auf einem (Fender Esquire, Precision Bass), maximal zwei Tonabnehmern (Telecaster). Nach langen Diskussionen einigte man sich nach dem Vorbild der Gibson ES-5 auf drei Tonabnehmer. Das Vibrato sollte im Stil des Bigsby-Vibratos ein von der Brücke getrennter, beweglicher Saitenhalter sein, der jedoch im Gegensatz zu Bigsbys massiver Aluminiumkonstruktion aus gestanzten Blechteilen bestehen sollte. Die geplante Brückenkonstruktion war ebenfalls ein gebogenes Blech, bei dem die Saiten zur Reduzierung der Reibung über kleine Rollen liefen.
So ausgestattet wurden 1953 die ersten Prototypen gefertigt und zu Testzwecken an verschiedene Musiker ausgeliehen. Die Reaktionen waren durchweg enttäuschend bis niederschmetternd: Die Blechkonstruktion des Vibratos schluckte einen Großteil der Saitenschwingung, weshalb die Prototypen sehr schrill und metallisch klangen. Gitarrist Carson beschrieb den Klang als „den eines billigen Banjos in einer Blechtonne“.[3] Leo Fender war von seiner Konstruktion jedoch so überzeugt, dass er bereits zuvor etwa 5000 Rollen für eine geplante Serienfertigung der Blechbrücke bestellt hatte.[4] Nach Angaben von Fabrikarbeitern verstaubte die Lieferung Rollen noch jahrelang im Lager der Firma. Nach langer Überzeugungsarbeit von Testgitarristen und Mitarbeitern konstruierte Leo für die Stratocaster widerwillig ein neues Vibrato. Den schlechten Erfahrungen zum Trotz setzte Leo Fender bei den Folgemodellen Jazzmaster und Jaguar eine überarbeitete Version des ursprünglichen Vibratos ein.
Typ | E-Gitarre |
Hersteller | Fender; USA |
Produktion | seit 1954 |
Mensur | 648 mm |
Korpus | Solidbody aus Erle oder Esche |
Hals | gechtaubter Hals aus Ahorn |
Griffbrett | Ahorn oder Palisander |
Steg / Brücke | Fender Vibrato |
Tonabnehmer | 3× Single Coil (1-spulige TA) |
Klangregelung |
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Die Elektronik besteht aus drei Single-Coil-Tonabnehmern, die über einen Kippschalter angewählt werden können. Besaßen die ersten Stratocaster einen Dreiwegschalter, mit denen die Tonabnehmer einzeln angewählt werden konnten, wurde in den 1970ern der Fünfwegschalter eingeführt. Mit diesem lassen sich auch die beliebten Kombinationen des Hals- oder Stegtonabnehmers mit dem mittleren Pickup anwählen oder, durch Modifikation der Schaltung, ein „Out of phase“-Sound, also ein durch Phasenverdrehung bedingter, „hohler“ Klang in den Kombinationsstellungen erzeugen. Weiter sind ein Lautstärkeregler und zwei Tonregler (je einer für den Hals- und einer für den Mittel-Tonabnehmer) für den Klang verantwortlich. Diese Schaltung lässt viel Spielraum für Modifikationen und Veränderungen, die im Laufe der Jahre in die Produktion von Serien- und Sondermodellen eingeflossen sind.
Der charakteristische Klang der Stratocaster zeichnet sich aus durch einen gläsernen, transparenten bis scharfen Ton aus, der sich im Bandgefüge gut durchsetzt. Als Ursache für diesen Ton werden häufig die Single-Coil-Tonabnehmer in Verbindung mit den verwendeten Hölzern, der Tremolokonstruktion und der vergleichsweise langen Mensur von 648 mm genannt. Einzelne Spieler behaupten zudem, dass die im Korpus angebrachten Federn des Tremolos durch unbeabsichtigtes Mitschwingen eine Art mechanischen Halleffekt erzeugen. Im Gegensatz zur Telecaster fehlen der Strat größtenteils die schrillen Höhen, gegenüber der Gibson Les Paul klingt die Stratocaster eher hell mit geringerem Sustain.
Waren die ersten Stratocaster-Spieler Countrygitarristen aus dem direkten Umfeld der örtlichen kalifornischen Countryszene wie Bill Carson, Rex Gallion oder Eldon Shamblin, wurde die „Strat“ im Lauf der 1950ern vor allem von Surf- und Rock ’n’ Roll-Musikern geschätzt. Buddy Holly benutzte die Stratocaster für seine Aufnahmen und Liveauftritte; der helle, drahtige Klang seines Instruments ist deutlich im Lied „That’ll be the day“ zu hören. Einen anderen Weg schlug der Surfrocker Dick Dale ein, der mit der Stratocaster und dem bei den Fender-Verstärkern neu eingeführten Halleffekts einen pulsierenden, donnernden Klang erzeugte. Das durch den Film „Pulp Fiction“ zu erneuter Bekanntheit gelangte Lied „Misirlou“ zeigt exemplarisch Dales Technik auf der Stratocaster. Inspiriert durch den klaren Twang der Surfmusik erzielte die Band „The Shadows“ mit ihrem Leadgitarristen Hank Marvin sowohl als Begleitband für Cliff Richard, als auch mit eigenen Instrumentals Charterfolge. Marvins klarer, vom Tremolo der Strat geprägter Ton ist in den Liedern „FBI“ oder „Apache“ deutlich zu hören.
Im Verlauf der 1960er geriet die Stratocaster vorübergehend aus der Mode: Die Beatles spielten Epiphone, Gretsch und Rickenbacker, Blues-Musiker bevorzugten den Sound der Gibson Les Paul. Die Gitarre erlebte 1967 ein Comeback, als Jimi Hendrix der Gitarre neue und ungewohnte Klänge entlockte: Hendrix spielte die Stratocaster in großer Lautstärke über voll aufgedrehte Marshall-Verstärker und verfremdete den Klang der Stratocaster zudem mit verschiedenen Effektgeräten wie Wah-Wah, Fuzz oder Phaser. Durch die hohe Lautstärke setzten kreischende Rückkopplungen ein, die von Hendrix ins Spiel integriert wurden. Weiter nutzte Hendrix das Tremolo, welches vorher nur für ein leichtes „Schimmern“ der Töne eingesetzt wurde, für dröhnende, motorenähnliche Klänge bis hin zum völligen Erschlaffen der Saiten. Viele dieser ausgefallenen Spieltechniken sind in Hendrix’ Version des „The Star-Spangled Banner“ auf dem Woodstock-Festival zu hören, wo er in die US-amerikanische Nationalhymne den Klang von angreifenden Flugzeugen und explodierenden Bomben einwebte. Spätestens mit dem charakteristischen Intro des 1972er Titels „Smoke on the Water“ der Band Deep Purple gilt die Kombination Stratocaster-Marshall als Standard in der Rockmusik. Im Gegensatz zu den schweren Tönen der Rockmusik wurde die Stratocaster in der Funk und Discomusik der 1970er Jahre für einen extrem hellen, gläsernen Klang beliebt: Mit dem gezielten Ausfiltern bestimmter Frequenzen durch Effektegeräte, Equalizer und das direkte Anschließen der Gitarre an das Mischpult ohne Verstärker wurde ein höhenreicher, dünner, sauberer Klang erzeugt, der auf vielen Produktionen der Zeit zu hören ist. Der Gitarrist Nile Rodgers der Gruppe Chic nutze diesen Klang u. a. auf der Hitsingle „Le Freak“.
Der perlende, glockige Klang der sogenannten „Zwischenstellungen“, bei denen jeweils der Steg- oder Halstonabnehmer mit dem mittleren kombiniert wird, wird häufig für unverzerrte Klänge benutzt. Beispiele finden sich sowohl bei Lynyrd Skynyrd („Sweet Home Alabama“) oder bei den Dire Straits, wo Gitarrist Mark Knopfler den Klang bei Titeln wie „Sultans of Swing“ durch sein charakteristisches Finger-Picking (Anschlagen der Saiten mit den Fingern anstatt mit einem Plektrum) noch verstärkt.
Gitarrist David Gilmour schneidet auf Aufnahmen wie „Shine on you crazy diamond“ mit dem hellen, durchsetzungsfähigen Klang der Stratocaster durch die keyboardlastigen Arrangements von Pink Floyd; Yngwie Malmsteen setzt die Stratocaster bei seinem durch klassische Musik inspirierten Hardrock ein.
Bluesgitarristen wie Stevie Ray Vaughan, Buddy Guy, und Rory Gallagher spielen ebenso Stratocasters wie Alternativerocker Kurt Cobain (Nirvana), Billy Corgan (Smashing Pumpkins), John Frusciante (Red Hot Chili Peppers) oder Tom DeLonge (blink-182). Namhafte Gitarristen wie Jeff Beck (u. a. Yardbirds), Eric Clapton, Richie Sambora (Bon Jovi), Chris Rea benutzen ebenfalls vorwiegend Stratocasters. Zudem werden Stratocasters (meistens mit Mini-Humbuckern in Steg- und Halsposition) von Janick Gers, Dave Murray und Adrian Smith, den Gitarristen der Metal-Band Iron Maiden, genutzt.
Quelle / © - Text aus Seite Fender Stratocaster. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.( )
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Foto Mark Knopfler: Joachim Müllerchen (Creative Common Lizenz)