Rafa, 14, probt für den ersten Kuss. Den bekommt dann aber nicht Marta, sondern Ibra. Und damit hat niemand gerechnet. Denn obwohl sich die beiden Jungs fast täglich im Schwimmbad oder auf der Straße über den Weg laufen, trennen sie Welten - denn Ibra ist ein marokkanischer Flüchtling, und Rafas bürgerliche Freunde wollen mit „Arabern“ nichts zu tun haben.
Als Ibra aus Spanien abgeschoben werden soll, taucht Rafa mit ihm unter. Sie verstecken sich vor der Polizei, vor Ibras Dealer freunden, vor Rafas Eltern. Und sie erleben die erste Liebe. Auf der Flucht.
Ibra hat auf der Flucht aus seiner Heimat Marokko nicht nur das Meer, sondern auch Zäune und Mauern überwunden. Bis in den Norden Spaniens, zur Hafenstadt Bilbao, hat sich der Teenager ganz alleine durchgeschlagen und steht nun doch bloss vor weiteren Grenzen: Sein Flüchtlingsstatus macht Ibra auch innerhalb der Festung Europa zu einem Aussenseiter. Die Spanier_innen verhalten sich ihm gegenüber äusserst abweisend und zudem droht dem marokkanischen Jungen die Ausweisung.
Eine verträumte Coming-of-Age-Story Mikel Rueda macht in wenigen Szenen deutlich, was es bedeutet, als Flüchtling in Europa zu leben: Diskriminierung sowie Anfeindungen gehören zum Alltag, Ibras Helfer_innen sind überfordert und kämpfen vor allem gegen bürokratische Schikanen und der Traum von einem besseren Leben wird schnell von einer rauen Wirklichkeit eingeholt. Ibra leidet Hunger, während um ihn herum wie zum Hohn der Müll derjenigen liegt, die keine Not kennen.
Trotz dieser desillusionierenden Beobachtungen inszeniert der Regisseur und Drehbuchautor Rueda kein finsteres Gesellschaftsdrama, sondern erzählt eine typische, mitunter verträumte Coming-of-Age-Geschichte. Denn als Ibra auf den gleichaltrigen Rafa, einen Jungen aus bürgerlichen Verhältnissen, trifft, bahnt sich behutsam eine Liebesgeschichte an, die Ibras Schicksal als Flüchtling zwar nicht vollkommen überlagert, aber dennoch ein wenig in den Hintergrund drängt.
Konventionelle Inhalte besonders inszeniert Neben aus anderen Jugendfilmen bekannten Konflikten, wie Streit mit den Eltern oder dem Bruch mit alten Freunden, macht die Annäherung der beiden jugendlichen Protagonisten das Herzstück von „Der heimliche Freund“ aus. Rueda löst sich dabei inhaltlich nicht von bewährten Konventionen, aber die Weise, wie er seinen Film in Szene setzt, ist besonders.
Eine verspielte Montage, der schwärmerische Indie-Soundtrack sowie die von Kenneth Oribe wunderbar fotografierte Bilder bilden den Rahmen für das unbeschwerte Verliebtsein der beiden Jungs. Erst zögerlich, schliesslich ohne Berührungsängste kommen sich die beiden von Germán Alcarazu und Adil Koukouh glaubwürdig verkörperten Teenager näher und schaffen gegen alle Widrigkeiten ihr eigenes Paradies: Gleich zwei Szene zeigen, wie sich Ibra und Rafa mit Süssigkeiten und Fast Food bewerfen und sich mit Cola und Milch übergiessen. Die eigenen Körper werden hier zum Schlaraffenland und die Liebe zu Rafa lässt Ibra sein Leid zumindest für einen kostbaren Augenblick vergessen.
Tiefe Gefühle und ein Kratzen an der Oberfläche Doch dieses Paradies der Körper ist bedroht, seine schützenden Grenzen sind zarte Haut - das müssen die Verliebten auf schmerzhafte Weise am eigenen Leib erfahren. Beide Jungs werden am Ende ihre Wunden und Schrammen davontragen, wenn die gesellschaftliche Realität sich nicht länger zurückdrängen lässt.
Sicherlich lässt sich Rueda vorwerfen, dass er die Flüchtlingsproblematik mit seinem Drama nur oberflächlich anreisst. Aber zugleich scheint sich der Filmemacher bewusst zu sein, dass ein Spielfilm die Erfahrungen von Flüchtlingen sowieso nur im Ansatz erfahrbar machen kann und belässt es bei einigen wirkungsvollen Andeutungen. Als Jugendfilm über die erste Liebe ist „Mein heimlicher Freund“ hingegen durch und durch gelungen und kann dank einer mitreissenden Inszenierung sowie der berührenden Leistung der jungen Hauptdarsteller überzeugen.
Quelle / © - Text + Bilder Film-Info: Salzgeber & Co. Medien GmbH
Quelle / © - Text (Filmkritik) von queer.ch -
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