Um die 18-jährige Lucca (Sinha Melina Gierke) muss man sich keine Sorgen machen: Nach dem Abitur geht´s nach Harvard, später wartet die Anwaltskanzlei ihres Vaters auf sie. Doch irgendetwas fehlt ihr, sonst klängen ihre Gedichte nicht so traurig und verzweifelt.
Völlig überraschend macht ihr geradlinig geplantes Leben einen Umweg - Lucca muss Sozialstunden in einem Hospiz leisten und lernt dort sowohl soziale Ungerechtigkeiten kennen als auch die aufregende Sängerin Valerie (Verena Wüstkamp). Beide fassen den Plan, den letzten Willen der verstorbenen Herma zu erfüllen und klauen kurzerhand die Urne - und die brave Tochter Lucca ist plötzlich auf der Flucht, stürzt sich kopfüber in ein neues Leben und findet sich in den Armen einer Frau wieder...
Nach ihren Kurzfilmen „Lady Pochoir“ und „The Mermaids“ wenden Regisseurin Petra Clever und ihre Kamerafrau Karola Keller (sistas inspiration) ihr Erfolgsrezept auch bei ihrem ersten Spielfilm an: ein schwungvolles Drehbuch, schöne Frauen, schöne Bilder, ein mitreißender Soundtrack und bloß keine Langeweile.
In ihrem Spielfilmdebüt erzählen die Filmemacherinnen Petra Clever und Karo Keller von einer Abiturientin, deren geordnetes Leben von einer lebenslustigen Musikerin vollkommen auf den Kopf gestellt wird.
Unterschiedlicher könnten die beiden Heldinnen von „Happy End?!“ kaum sein: Lucca steckt gerade mitten in ihren Abiturprüfungen und träumt schon ziemlich handfest von einer erfolgreichen Karriere als Anwältin. Von ihren gelegentlichen, aber immer präsenter werdenden Selbstzweifeln mag sich die junge Frau dabei nicht von ihren ehrgeizigen Zukunftsplänen abhalten lassen. Schliesslich hat Lucca schon eine Zusage für ein Studium an der renommierten Harvard-Universität erhalten, und auch ihr Vater, der ebenfalls Jurist ist, kann sich für seine Tochter keinen anderen Lebensweg vorstellen als einen, der seinen eigenen Fussstapfen folgt. Die ältere Val hingegen schlägt sich durchs Leben, ohne allzu viel auf die Erwartungen ihrer Mitmenschen zu geben: Mit Lederjacke und wilder Lockenpracht steht die eigensinnige Hobbymusikerin am liebsten auf der Bühne und singt ihre düsteren Popsongs. Im Hospiz, wo Val sich hauptberuflich um die Sterbenden kümmert und Lucca aufgrund eines Missverständnisses Sozialstunden ableisten muss, treffen die ungleichen Frauen schliesslich aufeinander. Ihre Begegnung soll der Auftakt zu einem wilden Trip werden, der die Leben der beiden für immer verändern soll. „Thelma & Louise“ im Rheinland
Vor der Kulisse Kölns erzählen die Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Clever sowie ihre Co-Autorin und Kamerafrau Karo Keller eine Coming-of-Age-Geschichte, die im Hospiz beginnt und sich nach und nach zu einem Roadmovie samt Coming-out entwickelt. Denn als die lesbische Val die Asche einer kürzlich verstorbenen Patientin aus den Händen derer Familie retten will, um gegen das Gesetz den letzten Willen der alten Dame zu erfüllen, geraten die beiden Protagonistinnen in ein haarsträubendes Abenteuer, das sie bis nach Holland führen soll. Dabei ist dem Duo nicht bloss die Polizei auf den Fersen, Lucca muss sich zudem ihren eigenen Wünschen und Sehnsüchten stellen, die ihre bisherigen Lebensentwürfe gehörig ins Wanken bringen.
Der schmal budgetierte und teils mit Crowdfunding finanzierte Erstling der unter dem Label „Sistas Inspiration“ produzierenden Filmemacherinnen ist sichtlich von bekannten Vorbildern wie Ridley Scotts Klassiker „Thelma & Louise“ (1991) inspiriert und scheut auch sonst keine filmischen Konventionen und Klischees. Von langweiliger Vorhersehbarkeit ist „Happy End?!“ dennoch weit entfernt, was erst einmal an den Schauspieler_innen liegt. Unter den vornehmlich aus Fernsehsoaps und TV-Serien bekannten Gesichtern, sind es besonders die unverbrauchten Hauptdarstellerinnen Sinha Gierke und Verena Wüstkamp, die hier als starkes Frauengespann auftrumpfen und ebenso humorvolle wie tragische Szenen meistern. Weniger nuanciert, aber dafür mit grosser Lust an der Überspitzung agieren die Nebendarsteller_innen, etwa Meike Gottschalk, deren griesgrämige und trinkfreudige Barkeeperin sicherlich eines der Highlights des Films ist.
Kleines Geld und grosse Ambitionen
Neben den Darsteller_innen zeigt sich auch die Regie verspielt und bemüht sich trotz niedriger Produktionskosten um Schauwerte und
Abwechslung: Rauschhafte Clubszenen, melodramtische Posen, surreal entrückte Aufnahmen und expressionistische Schattenspiele
bezeugen den Stilwillen von Clever und Keller. Dass die Inszenierung so manches Mal an ihre Grenzen stösst und die Montage vor allem bei
rasanteren Sequenzen deutlich schwächelt, lässt sich allerdings verzeihen. Was „Happy End?!“ letztlich die Kraft raubt und nicht vollends
überzeugen lässt, ist nämlich keinesfalls das kleine Budget als vielmehr die allzu grosse Ambitionen der Macherinnen.
Vom Erwachsenwerden, vom Coming-out, vom Sterben und dem Leben an sich will der Film erzählen und dabei zugleich tieftraurig und ausgelassen sein. Oft genug trifft „Happy End?!“ zwar tatsächlich den richtigen Ton, doch immer wieder scheinen sich Clever und Keller übernommen zu haben: Viele Pointen verfehlen ihr Ziel und die plumpen Wechsel zwischen Klamauk und Tragödie kosten einiges an Glaubwürdigkeit. Die peinlichen Selbstfindungsweisheiten, mit denen die Dialoge nur so um sich werfen, sowie die platten Figurenpsychologien lassen den Film bisweilen unfreiwillig als Selbstparodie erscheinen und trüben das Vergnügen doch beträchtlich.
Quelle / © - Text + Bilder Film-Info: Salzgeber & Co. Medien GmbH
Quelle / © - Text (Filmkritik) von queer.ch -
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