am Rosa-Luxemburg-Platz
Linienstraße 227 - 10178 Berlin / Prater - Kastanienallee 7-9 - 10435 Berlin
Tel (030) 24 065 - 5 / Fax (030) 24 065 642
Der Songschreiber, Gitarrist, Sänger, Autor und Maler! Funny van Dannen gibt ein besonderes Konzert. Vielleicht liest er sogar eine seiner stachelig-charmanten Geschichten vor. Der Dannensche Humor in Liedern und Texten piekt und lässt den Piek meist hinter sich, zugunsten einer sanften Melancholie oder eines Lachanfalls. Dieses Konzert – ein Auftragswerk. Das Theater will eine intelligente Lustigkeit mit Gesang und Gitarre. Das Publikum braucht es, und wir am Theater auch. Wir sind uns ratz fatz einig am Telefon in der Devise: Mehr Fröhlichkeit, mehr Spaß, mehr Komik – Lieder und Geschichten, in denen lauter Überraschungen stecken und in denen hintergründig der Witz funkelt.
„Cruelty is a drug (…), and it’s all around us”
Tennessee Williams
Minis Familie spricht die Sprache der Affekte, nicht die der Liebe. Ihre Eltern können das Kind nicht vor dem Schlimmsten bewahren – vor sich selbst. Am eigenen Leib durchlebt Mini den brutalen Alltag einer dysfunktionalen Familie in einer gespaltenen Gesellschaft. Um ausbrechen zu können, bleibt ihr nur eine Wahl: Aus der Unterdrückten muss eine Unterdrückerin werden.
In Kata Wébers modellhaftem Horrorstück – das in die Reihe ihrer Mikroporträts Imitation of Life oder Piece of a Woman gehört – verschwimmen die Grenzen zwischen Ich und Familie und offenbaren eine dahinter liegende, abgründige Realität.
Kata Wéber erarbeitet ihr Stück zusammen mit Kornél Mundruczó, Film- und Theaterregisseur aus Ungarn, der zum ersten Mal an einem Berliner Theater eine Performance inszeniert.
K: Ich weiß nicht, er ist jetzt schon 97 Jahre alt und spielt immer noch. Den Tolstoi hatte er schon mit 43 gespielt. Und jetzt spielt er ihn wieder. Den jungen Tolstoi! Also er hat sich den Bart abrasiert dafür. Er hatte so einen grauen Tolstoi-Bart, und den hat er sich gestern abrasieren lassen. Er sah dem alten Tolstoi ähnlicher als der sich selbst. Jetzt ist er ein alter, glattrasierter 43-Jahre-Tolstoi. Also es wäre besser gewesen, man würde nicht zu viel davon sehen und er hätte den Bart dran gelassen. Aber solch einen Bart hat natürlich auch kein 43jähriger Tolstoi. Und den spielt er jetzt nun mal. Es ist schon verrückt, das Theater. Und andererseits fällt einem auf, dass die jungen Leute da draußen so auf alt und müde geschminkt sind, mit grauen Haaren und schwarzen Augenrändern. Sie sitzen da, auf der Wiese, und man kann ja auch nicht genug von ihnen sehen, aber dann fallen einem ihre grauen Haare auf, und die müden Ringe um die Augen. Als wären die großen Werke an den Teenagern hängengeblieben. Ja, die jungen Leute! All die jungen Leute, die total alt aussehen, und die alten versuchen immer jung zu bleiben… Irgendwas ist dran an dem „jung und alt“. Sag ich jetzt mal so. Es gibt die Jungen, es gibt die Mittelalten und die Älteren. Natürlich, es gibt noch mehr. Aber jung und alt, sag ich mal so, das ist ein Thema. Ich hatte ja immer einen Blick für die jungen Leute, ein Gefühl dafür. Man müsste sie aufbauen. Ja, klingt schlimm, ich weiß. Oder man müsste sie verderben, wie die Philosophie es mal gemacht hat. Man müsste sich an die Jugend richten. Aber bei all dem Schönen hier und Einheitlichen laufen da zu wenig Jugendliche rum. Oder junge Erwachsene. Im Sommer sind sie am See und das ist toll. Dann ist da Musik und die kiffen und tanzen und sehen übrigens auch toll aus. Und dabei schieben sie den grauen Vorhang ihrer Haare zur Seite und denken: Was hab ich zu sagen? Was will ich sagen, wo steh ich jetzt gerade? In der Welt. Und nicht im Theater. Ja, das weiß ich jetzt nicht so genau. Wo sind wir, fragen die Jungen. Wo sind wir, fragen die Alten…
Da ist so ein Türchen im Nirgendwo. Es ist eine Pforte. Und sie führt in das Innere von Tolstoi, oder in das Innere des Kastens, in dem der Vorhang normalerweise verweilt. Nur, hier hat er beschlossen, ein Tänzchen aufzuführn. Hier gibt es anscheinend eine Pforte und eine Tür, und dahinter kann man weiter dem Vorhang zusehen. Wie einem Anfang und einem Ende gleichzeitig. Was machen die Menschen da? Nein, seht nicht auf sie. Seht auf den Vorhang! Ihr habt immer falsch hingesehen, auf die komischen Figuren da unten. Seht doch mal auf den Stoff! Und wie der sich bewegt. Man hat sich mit einem Stoff beschäftigt, Bühnenbildnerinnen zum Beispiel, und dann passiert sowas, wie das hier.
Seht euch nicht die Engel an, die zu Beginn von Goethes Faust herumstehen und deklamieren, dass die Sonne tönt nach alter Weise, dass Paradieseshelle wechselt mit tiefer schauervoller Nacht, sondern seht weiter auf die Flügel dieses Vorhangs, auf diesen Vorhang, dem anscheinend Flügel gewachsen sind.
Photo/Video: © Christian Thiel
Wie mag das sein, wenn man nicht auf der Welt ist?
Meta schließt die Augen, zieht alles ein, was sie einziehen kann, Augen, Gehör und Geruch, und erstarrt. Aber immer noch ist sie da. Der Magen kullert, das Herz pulsiert, und rote Dämmerung brütet hinter den Lidern. Sie muß sich noch mehr zusammenziehen, immer kleiner, immer kleiner. Eingerollt, den Mund mit den Knien verschlossen, übt Meta das Nicht—auf—der—Welt— Sein. Die Röte hinter den Lidern erlischt, Arme und Beine sterben ab, der Magen verstummt, der Herz schlag verebbt. Meta ist nie geboren worden. Es ist nicht unangenehm, nicht dazusein. Es ist überhaupt nichts. Dann wird sie langsam wieder in diese Welt geboren. Die Ohren erwachen zuerst und vernehmen das Sirren der Wespen im Dachgebälk. Dann spürt die Nase den Geruch des Mehlsacks, auf dem sie liegt.- auf der Zunge erwacht der Geschmack des Speichels, und als sie die Augen aufschlägt, flutet die Welt in sie zurück. Sie ist wieder da und den anstürmenden Geräuschen, Gerüchen und Bildern ausgeliefert. Dieses Sich—nicht—wehren—Können ist das Leben. Und da liegt die durchschossene Kappe. Dankbar müsse sie sein, sagen die anderen immer. Zum ersten Mal zweifelt Meta daran, Sie ist nicht dankbar. Sie lebt, und da kann man gar nichts machen. Manchmal ist es angenehm, oft unangenehm und immer eine große Bedrängnis.
Ein Abend über eine ganz normale Kindheit
von Marie Rosa Tietjen und Fee Aviv Marschall
Mit Texten aus Himmel, der nirgendwo endet und Der gute Bruder Ulrich von Marlen Haushofer und Musik von Fee Aviv Marschall
Fassung: Marie Rosa Tietjen
Musikalische Komposition: Fee Aviv Marschall
Ein Abend von und mit Olga Hohmann und Alexander Iezzi
Special Guest: Sylvana Seddig
Ein berühmter Philosoph hat einmal gesagt: „Die Alkoholiker*in trinkt immer nur bis zum vorletzten Glas, damit sie am nächsten Tag gleich weitermachen kann.“
Ich trinke immer mindestens zwei bis sieben Gläser zu viel – um am nächsten Tag ganz aufzuhören, „für immer“. Das tue ich dann auch, an diesem nächsten Tag – nur um am Übernächsten wieder anzufangen, mit zwei bis sieben Gläsern zu viel.
Wie das Begehren, das sich nie erfüllt, lässt auch mein Durst sich nicht stillen. Auf viel folgt viel und auf mehr folgt mehr.
Eine berühmte Schauspielerin hat auf die Frage, was „der schönste Ort der Welt“ sei einmal geantwortet: „Besoffen im Bett“. Die berühmte Schauspielerin brachte mir das Trinken bei, vor vielen Jahren.
Ich weiß, dass die berühmte Schauspielerin Recht hat. Aber ich erinnere mich nicht mehr, wie sich das anfühlt, „besoffen im Bett“. Ich war schon längst nicht mehr dabei.
Alles Austrinken
Kleine Geschichte meiner Filmrisse
F: Ja vielleicht trink ich auch mal was. Brenn mir ’n Schnaps und trink dann auch vorsichtig davon. Oder ich rauch nicht mehr, hab aber noch Unmengen von Dope zu Hause, und wenn ich mich dann frage, was mach ich jetzt damit, hab ich mir auch schon mal ne Dope-Butter gemacht, und mich an Tagen, wo ich wusste, dass ich nichts machen muss, in son Café gesetzt und einfach nur geguckt. Und dann bin ich zum Beispiel nach Hause gegangen – und das war das Krasseste – zu meinem vierjährigen Sohn, und ich hab zum ersten Mal wieder gesehen, dass der klein ist. Weil man behandelt den schon anders, also der muss pünktlich sein, die ganze Zeit ist der voll gestresst und genervt, und zum ersten Mal hab ich dann unter Dope wieder gesehn, dass der ganz klein ist, und was ich mit dem hier die ganze Zeit mache. Das ist ja der Horror. Also ich bin dann auch nochmal ein anderer Horror als so der normale Horror.
Und ich weiß jetzt nicht, wie es reichen Leuten geht.
Auf so einer Yacht oder so gibt es vielleicht ein Leben, aber das, woher ich komme, da gibt‘s dann immer nur den Befehl, dass ich jetzt irgendwas toll finden soll und ich schaff das auch manchmal, aber eigentlich… Wenn ich nüchtern bin und nachdenke, krieg ich mit, dass ich umgeben bin von etwas, was ich mir nicht ausgesucht habe. Und worauf ich eigentlich, wenn ich die Wahl habe, keine Lust hätte. Ist ja toll hier, oder auch zuhause, aber das ist ja nichts, was ich mir ausgesucht habe. Ich glaub, es gibt ein paar Leute, die können sich ein bisschen mehr wirklich aussuchen. Wo steckt man drin? Wo kommt man her? Und das is n Klassenproblem. Jedenfalls für jemanden wie mich.
Photo/Video: © Luna Zscharnt
M: Der Anfang ist erst mal der tiefste Punkt. Das mag ich so an diesen Dramaturgien. Dass man so anfängt. Dass es nicht die Reise ans Ende des Unglücks wird, sondern die Anreise allein ist schon eine direkt zum tiefsten Punkt.
T: Wo einen so Riesen-Lebenskonzepte und –pläne, die am Ende sind und vollkommen gescheitert, wenn die einen am Anfang so abholen, wo nichts mehr geht, da wird es zwangsläufig ein bisschen intelligent. Und immer komisch. Sie wollen sich ja auch reparieren, die Leute.
Und „Oh war das schön, oh Mann ey“, denkt man oft, wenn man sich an vergangene Liebesgeschichten erinnert, und dann ist man meist an seinem tiefsten Punkt.
Wo man dann mit Jesus zum Klauen in die Kirche geht.
M: Nach den Ritualen und Kulten und all dem Zeug war das Theater ja erst mal die Errungenschaft, dass keiner mehr geopfert wird. Also, da sind Schauspieler auf der Bühne, die nicht mehr geopfert werden. Und das hinterlässt natürlich eine Riesenfrustration im Publikum. Da tritt einer auf, und letztlich sind nur alle frustriert, dass sie ihn nicht opfern können. Und das ist dann so ein echtes Problem die ganze Zeit, die im Publikum denken an nichts Anderes, sondern bedauern bis zum heutigen Tage, dass man die da oben nicht mehr opfern kann.
T: Ich glaube, wir sollten letzten Endes doch einen Tanzfilm dreh‘n.
M: Ja gut, aber ich hoffe, ich kann da noch ein paar Texte unterbringen.
Photo/Video: © Luna Zscharnt
Du bist runtergefallen, mehrmals. Das ist nicht deine Schuld, das hier ist schwer! Der Regenbogen-Boulevard ist an sich ein Problem.
HIVE HIVE
„SSSSSsSSSSSSsssssSSSSSssSssSSSSSSSsssssSSSSssSsSsSSSSsssSsSSsssSSssssSSSSSSSsssSSsssssssss“ sagt der Schwarm. Alle zusummen. Eine Soziale Gruppe oder doch ein eigener Organismus? Wer kann das bei einem so vorbildlichen Zusammenhalt schon genau sagen. Wir alle haben eine vorbestimmte Laufbahn, eine Bestimmung. Sie zu erfüllen bedeutet in deinem Fall: Einsamkeit, Kälte, die völlige Isolation.
Begleiten Sie uns auf die Reise durch das Leben eines Drohn. Werden Sie Zeuge von Liebe, Zweifel, Zusammenhalt und vor allem — Freundschaft.
WIR HEIßEN SIE <3-LICH WILLKOMMEN ZU 90MIN SCHREIEN
Morgens, wenn sich der Tau auf dem Geäst niederlässt, wenn der Hahn zu krähen beginnt, wenn die ersten Sonnenstrahlen sich langsam über den Horizont räkeln und du ganz zaghaft deine Lieder öffnest, wacht es auf. Dein inneres Kind. Es rüttelt an den Gitterstäben und bedauert dich um die lähmende Passgenauigkeit hinter der du dich versteckst. Dann geht es, ohne eine Miene zu verziehen weiter und setzt sich an einen Tisch mit Saufkumpanen, Muttern, Vaddern, Außerirdischen und seinem größten Erzfeind. Vielleicht passiert eine bestimmte Sache/ eine beliebige Sache, vielleicht gehst du los, liest eine Neuigkeit, nickst zurück, machst Konversation oder Kaffee.- Du wartest auf etwas. Aber. etwas. wartet. Nicht auf dich.
TAG 8
Am Anfang war sie fort. Von Anfang an fing er mit Anfangen an und dann machte er blau und schlief ein. Wir die Kinder, sind seine Träume. Allmacht in der Theorie, ein zeitloses sein, ein im Moment von dem Moment träumen und sich an denselben Moment, diesen Moment erinnern.
Die nächste Welt hat ihre nächste Schöpfungsgeschichte, „DiE nÄcHsTe WeLt HaT aBeR aUcH iHrE eiGeNe ZeiTrEcHnUnG“ ach quatsch die nächste Welt ist immer deine jetzt fast Welt. Deine unerfasste Traumwelt und belastende Extrawelt. Das Leben nach dem Leben in einer Welt, in der es keinen Unterschied macht, ob du dabeibleibst oder ob du überhaupt bleibst, muss dir vorkommen wie ein Traum.
In der Islamischen Republik Teheran trägt sich Beunruhigendes zu. Im ganzen Land kursieren Fragmente eines seltsamen Textes, die man mit Monty Pythons Killer Joke vergleichen könnte – einem Witz, dessen Zuhörer oder Leser vor Lachen sterben. Zwar ist das Lesen jener geheimnisvollen Fragmente nicht tödlich. Es führt jedoch bei empfänglichen männlichen Lesern zu einer radikalen Veränderung der Persönlichkeit, mitunter auch des Körpers. Die Betroffenen fühlen sich als Frauen und entwickeln die Vorstellung, sie hätten die Pflicht mit niemandem Geringeren als mit Gott ein neues Geschlecht von TeheranerInnen zu zeugen.
Bei der Suche nach den Urhebern dieses die Existenz der Islamischen Republik gefährdenden Textes stoßen die Geheimdienste des Regimes auf die Spur Kardans, eines in Teheran äußerst beliebten, seit der islamischen Revolution inhaftierten Schauspielers und Regisseurs, den die sogenannten Reformfaschisten unter den islamischen Herrschern dazu bewegen wollen, ihnen bei der Produktion der „beliebtesten Fernsehserie aller Zeiten“ zu helfen.
Eine zweite Spur führt in das „Haus des Vergessens des Internats Islamischer Mädchen“, in dem den Internatsschülerinnen die Möglichkeit geboten wird, den Inhalt ihres Lieblingsbuches mithilfe eines Brain-Computer-Interface aus ihrem Gedächtnis zu löschen, so dass sie den Genuss der ersten Lektüre – frei von der Erinnerung an diese – wiederholen können. Dass die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie dieses Hauses nicht auf das Vergessen von Büchern beschränkt bleiben, liegt auf der Hand.
Sama Maani geboren in Graz, aufgewachsen in Österreich, Deutschland und dem Iran. Studium der Medizin in Wien und der Philosophie in Zürich. Ausbildung zum Psychiater und Psychoanalytiker in Graz. Lebt heute als Schriftsteller in Wien. 2004 Literaturpreis schreiben zwischen den kulturen, 2007 Österreichisches Staatsstipendium für das Romanprojekt Ungläubig (erschienen 2014), Respektverweigerung: Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten. Und die eigene auch nicht (Essayband 2015), Der Heiligenscheinorgasmus und andere Erzählungen (2016), Teheran Wunderland (Roman 2018), Warum wir Linke über den Islam nicht reden können (Essayband 2019), Worüber man als Jude nicht schreiben sollte (Essayband 2020)
Du bist runtergefallen, mehrmals. Das ist nicht deine Schuld, das hier ist schwer! Der Regenbogen-Boulevard ist an sich ein Problem.
HIVE HIVE
„SSSSSsSSSSSSsssssSSSSSssSssSSSSSSSsssssSSSSssSsSsSSSSsssSsSSsssSSssssSSSSSSSsssSSsssssssss“ sagt der Schwarm. Alle zusummen. Eine Soziale Gruppe oder doch ein eigener Organismus? Wer kann das bei einem so vorbildlichen Zusammenhalt schon genau sagen. Wir alle haben eine vorbestimmte Laufbahn, eine Bestimmung. Sie zu erfüllen bedeutet in deinem Fall: Einsamkeit, Kälte, die völlige Isolation.
Begleiten Sie uns auf die Reise durch das Leben eines Drohn. Werden Sie Zeuge von Liebe, Zweifel, Zusammenhalt und vor allem — Freundschaft.
WIR HEIßEN SIE <3-LICH WILLKOMMEN ZU 90MIN SCHREIEN
Morgens, wenn sich der Tau auf dem Geäst niederlässt, wenn der Hahn zu krähen beginnt, wenn die ersten Sonnenstrahlen sich langsam über den Horizont räkeln und du ganz zaghaft deine Lieder öffnest, wacht es auf. Dein inneres Kind. Es rüttelt an den Gitterstäben und bedauert dich um die lähmende Passgenauigkeit hinter der du dich versteckst. Dann geht es, ohne eine Miene zu verziehen weiter und setzt sich an einen Tisch mit Saufkumpanen, Muttern, Vaddern, Außerirdischen und seinem größten Erzfeind. Vielleicht passiert eine bestimmte Sache/ eine beliebige Sache, vielleicht gehst du los, liest eine Neuigkeit, nickst zurück, machst Konversation oder Kaffee.- Du wartest auf etwas. Aber. etwas. wartet. Nicht auf dich.
TAG 8
Am Anfang war sie fort. Von Anfang an fing er mit Anfangen an und dann machte er blau und schlief ein. Wir die Kinder, sind seine Träume. Allmacht in der Theorie, ein zeitloses sein, ein im Moment von dem Moment träumen und sich an denselben Moment, diesen Moment erinnern.
Die nächste Welt hat ihre nächste Schöpfungsgeschichte, „DiE nÄcHsTe WeLt HaT aBeR aUcH iHrE eiGeNe ZeiTrEcHnUnG“ ach quatsch die nächste Welt ist immer deine jetzt fast Welt. Deine unerfasste Traumwelt und belastende Extrawelt. Das Leben nach dem Leben in einer Welt, in der es keinen Unterschied macht, ob du dabeibleibst oder ob du überhaupt bleibst, muss dir vorkommen wie ein Traum.
„Achten Sie auf Ihre Wertsachen!“
Hawaii, 2018. Eine nordkoreanische Bombe rast auf das Archipel zu – oder auch nicht. Solange die Sirenen kreischen, macht das keinen Unterschied. Auf allen Displays dieselbe Nachricht: SEEK IMMEDIATE SHELTER.
Am Kamilo Beach treibt die Strömung seit jeher an, was da ist. Der älteste Schrottplatz der Welt. Auch an diesem 13. Januar schwelen dort Lagerfeuer, verschmelzen Plastik und Kiesel zu neuem Gestein.
Die Golfer Honolulus laden ihre Abschiedsworte hoch. Kinder krabbeln in die Kanalisation. Hunderttausende sind überzeugt, dass sie wenige Minuten später tot sein werden. Hunderttausende glauben an den Ernstfall, und proben ihn doch nur. Denn als die Sonne im Pazifik versinkt, gibt es nur zwei Opfer: BRANDON und BETTINA.
Wer waren die zwei? Warum mussten sie sterben? Und was leckt da bloß im leeren Zentrum?
EXERCISE. THIS IS NOT A DRILL.
M: Der Anfang ist erst mal der tiefste Punkt. Das mag ich so an diesen Dramaturgien. Dass man so anfängt. Dass es nicht die Reise ans Ende des Unglücks wird, sondern die Anreise allein ist schon eine direkt zum tiefsten Punkt.
T: Wo einen so Riesen-Lebenskonzepte und –pläne, die am Ende sind und vollkommen gescheitert, wenn die einen am Anfang so abholen, wo nichts mehr geht, da wird es zwangsläufig ein bisschen intelligent. Und immer komisch. Sie wollen sich ja auch reparieren, die Leute.
Und „Oh war das schön, oh Mann ey“, denkt man oft, wenn man sich an vergangene Liebesgeschichten erinnert, und dann ist man meist an seinem tiefsten Punkt.
Wo man dann mit Jesus zum Klauen in die Kirche geht.
M: Nach den Ritualen und Kulten und all dem Zeug war das Theater ja erst mal die Errungenschaft, dass keiner mehr geopfert wird. Also, da sind Schauspieler auf der Bühne, die nicht mehr geopfert werden. Und das hinterlässt natürlich eine Riesenfrustration im Publikum. Da tritt einer auf, und letztlich sind nur alle frustriert, dass sie ihn nicht opfern können. Und das ist dann so ein echtes Problem die ganze Zeit, die im Publikum denken an nichts Anderes, sondern bedauern bis zum heutigen Tage, dass man die da oben nicht mehr opfern kann.
T: Ich glaube, wir sollten letzten Endes doch einen Tanzfilm dreh‘n.
M: Ja gut, aber ich hoffe, ich kann da noch ein paar Texte unterbringen.
Photo/Video: © Luna Zscharnt
Hawaii, 2018. Eine nordkoreanische Bombe rast auf das Archipel zu – oder auch nicht. Solange die Sirenen kreischen, macht das keinen Unterschied. Auf allen Displays dieselbe Nachricht: SEEK IMMEDIATE SHELTER.
Am Kamilo Beach treibt die Strömung seit jeher an, was da ist. Der älteste Schrottplatz der Welt. Auch an diesem 13. Januar schwelen dort Lagerfeuer, verschmelzen Plastik und Kiesel zu neuem Gestein.
Die Golfer Honolulus laden ihre Abschiedsworte hoch. Kinder krabbeln in die Kanalisation. Hunderttausende sind überzeugt, dass sie wenige Minuten später tot sein werden. Hunderttausende glauben an den Ernstfall, und proben ihn doch nur. Denn als die Sonne im Pazifik versinkt, gibt es nur zwei Opfer: BRANDON und BETTINA.
Wer waren die zwei? Warum mussten sie sterben? Und was leckt da bloß im leeren Zentrum?
EXERCISE. THIS IS NOT A DRILL.
Du bist runtergefallen, mehrmals. Das ist nicht deine Schuld, das hier ist schwer! Der Regenbogen-Boulevard ist an sich ein Problem.
HIVE HIVE
„SSSSSsSSSSSSsssssSSSSSssSssSSSSSSSsssssSSSSssSsSsSSSSsssSsSSsssSSssssSSSSSSSsssSSsssssssss“ sagt der Schwarm. Alle zusummen. Eine Soziale Gruppe oder doch ein eigener Organismus? Wer kann das bei einem so vorbildlichen Zusammenhalt schon genau sagen. Wir alle haben eine vorbestimmte Laufbahn, eine Bestimmung. Sie zu erfüllen bedeutet in deinem Fall: Einsamkeit, Kälte, die völlige Isolation.
Begleiten Sie uns auf die Reise durch das Leben eines Drohn. Werden Sie Zeuge von Liebe, Zweifel, Zusammenhalt und vor allem — Freundschaft.
WIR HEIßEN SIE <3-LICH WILLKOMMEN ZU 90MIN SCHREIEN
Morgens, wenn sich der Tau auf dem Geäst niederlässt, wenn der Hahn zu krähen beginnt, wenn die ersten Sonnenstrahlen sich langsam über den Horizont räkeln und du ganz zaghaft deine Lieder öffnest, wacht es auf. Dein inneres Kind. Es rüttelt an den Gitterstäben und bedauert dich um die lähmende Passgenauigkeit hinter der du dich versteckst. Dann geht es, ohne eine Miene zu verziehen weiter und setzt sich an einen Tisch mit Saufkumpanen, Muttern, Vaddern, Außerirdischen und seinem größten Erzfeind. Vielleicht passiert eine bestimmte Sache/ eine beliebige Sache, vielleicht gehst du los, liest eine Neuigkeit, nickst zurück, machst Konversation oder Kaffee.- Du wartest auf etwas. Aber. etwas. wartet. Nicht auf dich.
TAG 8
Am Anfang war sie fort. Von Anfang an fing er mit Anfangen an und dann machte er blau und schlief ein. Wir die Kinder, sind seine Träume. Allmacht in der Theorie, ein zeitloses sein, ein im Moment von dem Moment träumen und sich an denselben Moment, diesen Moment erinnern.
Die nächste Welt hat ihre nächste Schöpfungsgeschichte, „DiE nÄcHsTe WeLt HaT aBeR aUcH iHrE eiGeNe ZeiTrEcHnUnG“ ach quatsch die nächste Welt ist immer deine jetzt fast Welt. Deine unerfasste Traumwelt und belastende Extrawelt. Das Leben nach dem Leben in einer Welt, in der es keinen Unterschied macht, ob du dabeibleibst oder ob du überhaupt bleibst, muss dir vorkommen wie ein Traum.
„Cruelty is a drug (…), and it’s all around us”
Tennessee Williams
Minis Familie spricht die Sprache der Affekte, nicht die der Liebe. Ihre Eltern können das Kind nicht vor dem Schlimmsten bewahren – vor sich selbst. Am eigenen Leib durchlebt Mini den brutalen Alltag einer dysfunktionalen Familie in einer gespaltenen Gesellschaft. Um ausbrechen zu können, bleibt ihr nur eine Wahl: Aus der Unterdrückten muss eine Unterdrückerin werden.
In Kata Wébers modellhaftem Horrorstück – das in die Reihe ihrer Mikroporträts Imitation of Life oder Piece of a Woman gehört – verschwimmen die Grenzen zwischen Ich und Familie und offenbaren eine dahinter liegende, abgründige Realität.
Kata Wéber erarbeitet ihr Stück zusammen mit Kornél Mundruczó, Film- und Theaterregisseur aus Ungarn, der zum ersten Mal an einem Berliner Theater eine Performance inszeniert.
Zombie-Zeit: In Wir Untoten des Kapitals beschreibt Raul Zelik unsere Zeitgenossenschaft mit Zombies. Nicht genug, dass die Untoten dermaßen populär sind, dass sogar Kleinkinder sie kennen und in ihren Spielen imitieren, fast scheint es, als würden sie zur kulturellen Leitfigur. Nun ist die Verkehrung von Leben und Tod in Marktgesellschaften schon Marx aufgefallen. Doch wählte er zu seiner Zeit die elegantere Figur des Vampirs. Reden wir also über politische Monster – und am Ende vielleicht auch über einen grünen Sozialismus. Und wäre am Ende der Öko-Sozialismus – die vierte Sache?
Die Nächte während des Staus waren von roten und gelben Lichtern der Scheinwerfer gezeichnet. Ein Anblick, der die Sterne am Himmel in Verlegenheit gebracht haben muss, denn seit ein paar Abenden erscheinen nur noch wenige von ihnen. Ein Hupen aus 100 Meter Entfernung verriet, dass die Kolonne langsam wieder ins Rollen geriet.
Um die Nachricht zu verbreiten, lief ich zum Mädchen im VW Bonjovi, die mit angezogenen Beinen auf der Hinterbank ihres Wagens schlief.
Das noch von der Sonne des Vortags aufgewärmte Blech des Fahrzeugs fühlte sich lebendiger als ihr Körper an, als ich an ihrem linken Bein zog.
Ein gelber Plateauschuh fiel auf die Fahrbahn.
Es war in diesem Moment, dass ich zum ersten Mal ihre nackten Füße sah.
Die fast verheilte Schürfwunde auf ihrem Spann war klein und doch von großer Bedeutung. Eine Blase als Beweis dafür, dass wir unsere Körper einmal für mehr als das Bedienen von Maschine genutzt hatten.
Hätte sie gekonnt, so würden sich ihre krummen Beine mit Sicherheit etwas Anderem widmen, als ab und an zaghaft auf ein Gaspedal zu drücken.
Schlürfen. Schreiten. Aber wohin?
Die Wildnis, das waren Windräder, rotäugige Riesen.
Sie drehte sich um und presste ihre Stirn an vom Schweiß feucht gewordenes Kunstleder.
Vor ein paar Stunden war sie unweit der Lärmschutzwand in die Knie gegangen. Man war sich einig, dass sie im Namen aller das Bewusstsein verloren hatte. „Der Ausweglosigkeit wegen“ hatte einer der Männer geflüstert, die sie später zurück zur Blockade trugen. Fast schon unbeeindruckt, denn alle waren sich einig, zu Tagesanbruch würde sie wiederauferstehen. Beweisen, dass der Glaube an dieses verfluchte Leben über den Tod hinausreichte.
Nun ragte auch das zweite Bein des Mädchens aus der Autotür und ich konnte zwischen den Riemen ihrer Sandalen eine weitere Narbe erkennen. Obwohl ihre Handinnenflächen einen makellosen Eindruck machten, war ich mir plötzlich ziemlich sicher, dass sie Jesus sein musste und ich sie liebte.
Natürlich, eine Erlösung brachte sie nicht, das wusste ich sofort, denn dafür schätzte ich sie für viel zu nachtragend ein.
Aber wohin hätte ich ihr auch folgen sollen, der Stau war keine 6 Meter vorwärts gerückt
und doch, dachte ich mir, hatte die Begegnung mit ihr eine neue Zeitrechnung erfordert.
Eine vor ihr und eine nach ihr.
Denn seit einer Weile schien die Welt im Umbruch und ein allgemeines Ende näher als jedes Ziel dieser Reisenden.
Was soll ich sagen, heute hier und morgen gestern.
Photo/Video: © Ackermann-Simonow-Kahn, © Charlotte Brandhorst
Hawaii, 2018. Eine nordkoreanische Bombe rast auf das Archipel zu – oder auch nicht. Solange die Sirenen kreischen, macht das keinen Unterschied. Auf allen Displays dieselbe Nachricht: SEEK IMMEDIATE SHELTER.
Am Kamilo Beach treibt die Strömung seit jeher an, was da ist. Der älteste Schrottplatz der Welt. Auch an diesem 13. Januar schwelen dort Lagerfeuer, verschmelzen Plastik und Kiesel zu neuem Gestein.
Die Golfer Honolulus laden ihre Abschiedsworte hoch. Kinder krabbeln in die Kanalisation. Hunderttausende sind überzeugt, dass sie wenige Minuten später tot sein werden. Hunderttausende glauben an den Ernstfall, und proben ihn doch nur. Denn als die Sonne im Pazifik versinkt, gibt es nur zwei Opfer: BRANDON und BETTINA.
Wer waren die zwei? Warum mussten sie sterben? Und was leckt da bloß im leeren Zentrum?
EXERCISE. THIS IS NOT A DRILL.
Das dringende Bedürfnis, etwas Konkretes über die Zukunft herauszufinden, hat die Menschen durch die Geschichte hindurch immer wieder beschäftigt. Schon in der Antike wurden Orakel befragt, Eingeweide von Opfertieren gedeutet und Sternkonstellationen beobachtet. Über Jahrzehnte hinweg prophezeite der schillernde Walter Mercado die Zukunft in seinen TV-Auftritten wie unzählige andere Astrologie-Online-Websites heutzutage.
In der Zukunft untersuchen wir die Zukunft in der Vergangenheit und verschiedene Theorien der Zeit, Orakel und Rätsel sowie, den Gedanken von Karen Barad folgend, die Möglichkeit, dass die Vergangenheit noch nicht angekommen ist. Vielleicht hat sich die Zukunft langsam immer wieder abgeschafft und alles, was uns bleibt, ist die endlose und zeitlose Reproduktion von Anachronismen.
Wie in dieser Clubszene in einem Science-Fiction-Film: Egal, wann er produziert wurde, wird ein Club dargestellt, der sich für immer in den 80er Jahren befindet und in dem die Weltuntergangsuhr auf fünf Minuten vor zwölf steht.
Es kommt ein Sturm auf, sagt der Mann an der Tankstelle. Ich weiß, sage ich, spiel wieder Sarah Connor.
Photo/Video: © Thomas Aurin
Hawaii, 2018. Eine nordkoreanische Bombe rast auf das Archipel zu – oder auch nicht. Solange die Sirenen kreischen, macht das keinen Unterschied. Auf allen Displays dieselbe Nachricht: SEEK IMMEDIATE SHELTER.
Am Kamilo Beach treibt die Strömung seit jeher an, was da ist. Der älteste Schrottplatz der Welt. Auch an diesem 13. Januar schwelen dort Lagerfeuer, verschmelzen Plastik und Kiesel zu neuem Gestein.
Die Golfer Honolulus laden ihre Abschiedsworte hoch. Kinder krabbeln in die Kanalisation. Hunderttausende sind überzeugt, dass sie wenige Minuten später tot sein werden. Hunderttausende glauben an den Ernstfall, und proben ihn doch nur. Denn als die Sonne im Pazifik versinkt, gibt es nur zwei Opfer: BRANDON und BETTINA.
Wer waren die zwei? Warum mussten sie sterben? Und was leckt da bloß im leeren Zentrum?
EXERCISE. THIS IS NOT A DRILL.
Wie mag das sein, wenn man nicht auf der Welt ist?
Meta schließt die Augen, zieht alles ein, was sie einziehen kann, Augen, Gehör und Geruch, und erstarrt. Aber immer noch ist sie da. Der Magen kullert, das Herz pulsiert, und rote Dämmerung brütet hinter den Lidern. Sie muß sich noch mehr zusammenziehen, immer kleiner, immer kleiner. Eingerollt, den Mund mit den Knien verschlossen, übt Meta das Nicht—auf—der—Welt— Sein. Die Röte hinter den Lidern erlischt, Arme und Beine sterben ab, der Magen verstummt, der Herz schlag verebbt. Meta ist nie geboren worden. Es ist nicht unangenehm, nicht dazusein. Es ist überhaupt nichts. Dann wird sie langsam wieder in diese Welt geboren. Die Ohren erwachen zuerst und vernehmen das Sirren der Wespen im Dachgebälk. Dann spürt die Nase den Geruch des Mehlsacks, auf dem sie liegt.- auf der Zunge erwacht der Geschmack des Speichels, und als sie die Augen aufschlägt, flutet die Welt in sie zurück. Sie ist wieder da und den anstürmenden Geräuschen, Gerüchen und Bildern ausgeliefert. Dieses Sich—nicht—wehren—Können ist das Leben. Und da liegt die durchschossene Kappe. Dankbar müsse sie sein, sagen die anderen immer. Zum ersten Mal zweifelt Meta daran, Sie ist nicht dankbar. Sie lebt, und da kann man gar nichts machen. Manchmal ist es angenehm, oft unangenehm und immer eine große Bedrängnis.
Ein Abend über eine ganz normale Kindheit
von Marie Rosa Tietjen und Fee Aviv Marschall
Mit Texten aus Himmel, der nirgendwo endet und Der gute Bruder Ulrich von Marlen Haushofer und Musik von Fee Aviv Marschall
Fassung: Marie Rosa Tietjen
Musikalische Komposition: Fee Aviv Marschall
„Das Licht in Schottland ist von einer Beschaffenheit, die mir nirgendwo anders begegnete. Leuchtend, jedoch ohne Schärfe, dringt es in unermessliche Fernen mit müheloser Intensität vor. … Regen in der Luft hat … die seltsame Macht, einen Dinge räumlich sehen zu lassen, wie in der Stereoskopie. Die Lichtstrahlen, gebrochen von der Feuchtigkeit in der Luft, krümmen sich um die Rückseite dessen, was ich sehe. Ich habe zu einem etwa 800 Meter entfernt liegenden Bergbauernhof hinübergeschaut, mit Ställen und einer Kuh, und hatte das Gefühl, ich wanderte um die Heuschober und schlüge der Kuh aufs Hinterteil. … In diesen Winkeln der Berge ist die Art der grundlegenden Versorgung noch immer eine langsame, mühsame und persönliche. Das Wasser aus der Quelle zu schöpfen, mit nicht einmal einer Pumpe zwischen einem selbst und seiner glitzernen Transparenz, die Stöcke durchzubrechen, die man im Wald gesammelt hat, und mit ihnen ein Feuer zu entfachen und seinen Topf darauf zu stellen – in diesen einfachen Handlungen liegt eine tiefe, durchdringende Befriedigung. Ob man daran nun einen bewussten Gedanken verschwendet oder nicht, man kommt mit Leben in Berührung, und etwas in einem weiß das. … Niemand kennt die Berge völlig, der nicht auf ihnen geschlafen hat. Wenn man in den Schlaf hinübergleitet, wird der Geist durchsichtig wie Wasser, der Körper löst sich auf, nur die Sinneswahrnehmung bleibt noch. Man denkt nicht, man empfindet kein Verlangen, noch erinnert man sich, sondern weilt in reiner Verbundenheit mit der greifbaren Welt. Diese Augenblicke stillen Wahrnehmens kurz vor dem Einschlafen zählen zu den lohnendsten des Tages. Ich bin nicht länger mit anderem beschäftigt, nichts legt sich zwischen mich, die Erde und den Himmel.“
In: Nan Shepherd, Der lebende Berg. Eine Huldigung der Cairngorms
Mit einer Einführung von Robert Macfarlane
Aus dem Englischen von Judith Zander
Naturkunden N°17
Herausgegeben von Judith Schalansky bei Matthes & Seitz Berlin
„Ein erstaunlich schwer zu beschreibendes Buch. Ein Prosagedicht? Ein Landschaftslobgesang? Eine philosophische Erforschung der Natur unserer Erkenntnis? Keine dieser Beschreibungen trifft es ganz, auch wenn es als dies zum Teil ist.“
Robert Macfarlane
Auf ihren Reisen in die schottischen Cairngorm Mountains begegnete Nan Shepherd einer atemberaubenden schönen wie schockierend harten Natur. Sie schildert diese Naturerlebnisse auf unvergleichliche Weise und versucht immer wieder, dem innersten Wesen der sie umgebenden Welt auf die Spur zu kommen und sich mit ihr in Beziehung zu setzen.
Anna „Nan“ Shepherd wurde am 11. Februar 1893 in Westerton Cottage, Cults, einem Vorort von Aberdeen , geboren. Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie nach Dunvegan, Cults , dem Haus, in dem sie die meiste Zeit ihres Lebens lebte. Sie besuchte die Aberdeen High School for Girls und machte 1915 ihren Abschluss an der University of Aberdeen. Anschließend hielt Shepherd Vorlesungen am Aberdeen College of Education. Sie zog sich 1956 aus der Lehrtätigkeit zurück, gab jedoch bis 1963 die Aberdeen University Review heraus. Die Universität verlieh ihr 1964 die Ehrendoktorwürde. Sie war Freundin und Unterstützerin anderer schottischer Schriftsteller, darunter Neil M. Gunn, Marion Angus und Jessie Kesson. Nan Shepherd starb am 27. Februar 1981 in Aberdeen.
„Cruelty is a drug (…), and it’s all around us”
Tennessee Williams
Minis Familie spricht die Sprache der Affekte, nicht die der Liebe. Ihre Eltern können das Kind nicht vor dem Schlimmsten bewahren – vor sich selbst. Am eigenen Leib durchlebt Mini den brutalen Alltag einer dysfunktionalen Familie in einer gespaltenen Gesellschaft. Um ausbrechen zu können, bleibt ihr nur eine Wahl: Aus der Unterdrückten muss eine Unterdrückerin werden.
In Kata Wébers modellhaftem Horrorstück – das in die Reihe ihrer Mikroporträts Imitation of Life oder Piece of a Woman gehört – verschwimmen die Grenzen zwischen Ich und Familie und offenbaren eine dahinter liegende, abgründige Realität.
Kata Wéber erarbeitet ihr Stück zusammen mit Kornél Mundruczó, Film- und Theaterregisseur aus Ungarn, der zum ersten Mal an einem Berliner Theater eine Performance inszeniert.
In ihrem neuen Film ARBEIT begleitet sie den Theaterproben-Prozess zu Tarzan rettet Berlin, der Produktion eines Kollektivs bestehend aus Janina Audick, Martina Bosse, Brigitte Cuvelier und Christine Groß, die im HAU Hebbel am Ufer im Rahmen von Einar Schleef zum 75.Geburtstag Premiere feierte.
Im Film zeigt Ute Schall drei thematische Ebenen, die sie in dem Proben-Prozess mit der Kamera beobachtet hat: Die Ebene der Sprache von Einar Schleef, die der chorischen und inszenatorischen Arbeit von Christine Groß, die lange Jahre als Chorleiterin bei Schleef arbeitete, und die der Protagonist:innen auf der Bühne – ein Chor aus dreizehn Personen, die sich dem binären Code einer Geschlechtszuordnung widersetzen.
Mit persönlichen Texten der Chorpersonen, Texten zu Queerness, aber vor allem den Tagebuchtexten von Einar Schleef werden auf den Proben und im Film die Themen Sprache, Identität, Individualismus und Dualismus Schicht für Schicht freigelegt. „Heute ist Sprechen. Ich habe nie so viel nachgedacht, warum der Körper mich quält, niederdrückt, wie das Sprechen in mir mich abwürgt.” heißt es bei Einar Schleef.
Mit dem chorischen Stakkato von Wort und Bewegung, dem Sprachduktus von Einar Schleef, sehen wir im Film, wie Christine Groß die Fragen der Geschlechteridentität, Transgenderidentität in den Proben verhandelt: Der Einzelne spricht aus dem Mund Vieler.- aus der Konstruktion und der Dekonstruktion ergibt sich eine neue Vielheit.
„Im Theater hab‘ ich ja immer versucht, die Sachen, die mich bedrücken, in den anderen auch zu erkennen. Ich hab‘ ja nichts anderes gemacht als gesagt: Wenn ich darunter so leide, wie leiden denn die anderen Menschen unter diesen Bedingungen, und wenn ich nicht leben kann, warum können die anderen dann leben, und das hab ich immer versucht in ein bestimmtes Verhältnis zu setzen.“
Einar Schleef
Crew und Cast
Regie und Montage: Ute Schall
Bildgestaltung: Hannes Francke
Tonmischung: Jochen Jezussek
Mitwirkende
Janina Audick
Jona Aulepp
Sacha Benedetti
Martina Bosse
Claudio Campo-Garcia
Brigitte Cuvelier
Benjamin Drexler
Sanni Est
Kay Garnellen
Christine Groß
Kim Ley
Naomi Odhiambo
Roman Ott
Marina Prados
Jayrôme C. Robinet
Nathalie Seiß
Julian Süss
Meo Wulf
Yasmin El Yassini
Marlene Lockemann
Daniela Zorrozua
Jan Koslowski
Josefin Willnauer
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